Seereise Malta – Korfu – Dubrovnik
Bericht von Bord #1
Pt. 1
Aus meinem Traum bin Ich heut aufgewacht... an Bord eines blauen Schiffes. Über mir Taschen, unter mir Segelsäcke, in der benachbarten Rohrkoje: meine Schwester Johanna. Wir sind an Bord der AGIV in Valetta. Es ist Samstag in der Früh. Was habe Ich geträumt? Johanna lud mich ein, eine Woche auf der AGIV mit zu segeln. Start in Malta, Zwischenstopp auf Korfu, Ziel Dubrovnik - das klingt nach Frühsommerlichem Mittelmeer-Genuss. Wie kann man da nein sagen? Spannender Verein, spannendes Seeschiff und eine offene Rechnung - also den Flug in das Steuerparadies gebucht und ab gehts. Die Verbindung ab Berlin funktioniert reibungslos, ich lande Freitagabend in Valetta. Die Maschine aus Köln mit Johanna, Thomas, Marc, Jonas und Ralf landet 20 Minuten später. Am Flughafen begrüßt uns ein Mann mit Pornhub-Schild - es ist nicht für uns bestimmt, aber spricht für den Vibe der Insel. In unseren Flugzeugen: Junggesellinnen-Abschiede, Rugbyteams, Karnevalsvereine. Der Flugzeugkapitän hat den Ausschank von Alkohol verboten, zum Wohle aller. Auf was für einer Insel treffen wir hier bitte zusammen?
Beantworten können wir die Frage nicht. Dafür fährt der Fahrer des Sammeltaxis einfach zu schnell und wir sind verwirrt vom Linksverkehr. Das Taxi spuckt uns an einer Marina aus. Am Steg steht bereits der Rest der Crew, die den Einkauf ohne uns bestritten haben. So findet das große Hallo zwischen Hektolitern Trinkwasser, Dosenbier und genmutiertem Gemüse statt. Ich lerne kennen: die Schiffer Erik, Serjoscha sowie Volodymyr und Julia. Ebenfalls am Start sind noch Paul und Lorenz von der Indienststellungscrew, die in den vergangenen Wochen für ein picobello vorbereitetes Schiff gesorgt haben. Gemeinsam schaffen wir das ganze Futter zum Schiff, das natürlich am Ende des Steges liegt. Ich betrete das große Blaue und stolpere erst mal über diverse anlaminierte Tobleronepackungen, die bei Krängung sicher nützlich sind. Die Staufächer für Lebensmittel sind gut zugängig, nicht einmal Türen sind im Weg. Das Schiff ist ein interessanter Mix aus spärlich dosierter Schiffigkeit (holzfurnierte Griffleisten) und regattaorientiertem Spartanismus (Schubladen bitte aus Kohle!), mir gefällt's. Wir beenden den Abend bei dem einen Diner, bei dem anscheinen jeder Abend endet. Die Bracke-Bande kann sich kollektiv nicht entscheiden. Plötzlich ist es halb zwei und nichts scheint verlockender als der Schlafsack...
Pt. 2
Aus meinem Traum bin ich heut' aufgewacht... Es ist Sonntag, 0500 Bordzeit, ich liege in einem sehr schaukeligen Salon in der AGIV, irgendwo in der Adria, Zeit für den Antritt der Morgenwache. Langsam geht's wieder besser. Was ist gestern passiert?
Nach einem zügigen Frühstück werden Aufgaben verteilt – Groß anbauen, Strecktaue anbauen, letzte Ersatzteile beschaffen... Jemand fragt nach Glibber. WTF?! Doch eh' man sich versieht, ist das Schiff ablegeklar. Wird auch höchste Zeit, alle sind heiß, endlich raus zu kommen. Beim Ablegen haben wir noch beinahe den Seeschiff-Obmann mitgenommen. Er wäre wohl nicht einmal traurig darüber. Leider wird uns der Fauxpas rechtzeitig bewusst und er muss doch den Flieger nach Deutschland nehmen. Es gibt die letzte Stärkung, dann verlassen wir die Gardens Marina und erhalten von See aus eine Sightseeing-Tour von den Middle-Sea-Race-Veteranen. In der tiefen Abendsonne geht nun aber wirklich los. Wir setzten das Groß und man erklärt mir, dass die weißen Zeiser nicht vergilbt sind, sondern die Guten und nur fürs Groß bestimmt sind! Anfangs sieht es auch noch gut aus, wir testen hochmotiviert die neue G1 an und lästern obligatorischerweise (und zu unrecht) über ihren Schnitt. Doch Wind und Seegang nehmen rasch und kreuzweise zu, erst dezimieren wir die Segel, dann dezimiert sich die Crew... Seebeine müssen noch wachsen. Zum Glück müssen wir uns nicht über mangelnde Kompetenz an Bord beklagen, und das rotierende Wachsystem spült jede Stunde gute Laune an Deck. So kommen wir halbwegs zügig durch die erste Nacht.
Pt. 3
Aus meinem Traum bin ich heut' aufgewacht... ich liege schon wieder auf der AGIV, gleich muss ich zur Hundewache. Was brachte der vergangene Tag?
Aufstehen um 5 heißt auch: Hinter uns fällt der Junimond ins Mittelmeer, vor uns erhebt sich der Sonnenaufgang genau dort, wo wir hin wollen. Eine Belohnung als solches. Nachts lief einmal kurz der Motor, doch nach nicht mal einer Stunde ging er schon wieder aus. Das Mittelmeer ist uns günstig gestimmt. Dafür sind wir eifrig am Segelwechseln, zwischen G1 und G4 wird munter rotiert, wie man bedarf, und das beste ist: alle machen mit. Mittlerweile haben auch alle begriffen: es gibt nur einen Kurs, nur ein Ziel, und bis alle Meilen dorthin geschmolzen sind wird 55° gesteuert. Die Backbord-Primary hat für 350 NM wachfrei. Sieht man den Gästen der Maschinistenkoje die Erholung an? Gut möglich!
Die unterschiedlichen Segelmodi sind: Lesemodus (Plätscherfahrt bei leichtem Wind), Rauschefahrt (mit ganz leicht geschrickten Schoten und 9 kn Fahrt zügig dem Ziel entgegen), suffering mode (Segel schlagen, der Spiegel applaudiert klatschend). Zu essen gibt es für ca. 7 Mahlzeiten hintereinander Tortellini mit Hallumi, meinetwegen hätte es auch 8 sein können! Die Stunden schmelzen dahin und ehe ich mich versehe, geht es wieder in die Koje.
Pt. 4
Aus meinem Traum bin ich heut' aufgewacht... es ist ruhig, das Schiff schaukelt kaum. Um mich herum wird munter geschnarcht. Alle Anzeichen deuten auf Ankerbucht... Was ist passiert?
Nachdem ich mich zur Hundewache rausgepellt habe, muss ich feststellen, dass es frisch, aber wenigstens schnell ist. Unter G3 und vollem Groß machen wir wirklich gute Fahrt und nähern uns Griechenland im Osten. Meine Kleiderwahl für diese Reise (Handgepäck rules! Einziges Zugeständnis: Ölzeughose) scheint genau zu passen. 3 °C weniger hätten die Nächte wohl deutlich unangenehmer gemacht. Solche Gedanken kommen mir, falls ich am Steuer stehe. Falls man in dieser Nacht nicht am Steuer steht, bleibt im Kopf kein Platz für Gedanken: man nickert lieber ungemütlich im Cockpit, bis die Wache vorüber ist. Später wird noch einfach gerefft, zum letzten mal in diesem Urlaub (?!. Später nimmt der Wind ab und ab Vormittag erhebt sich Zakynthos aus dem Dunst. Jetzt weiß man wenigstens, wohin man steuern muss. Entlang der Insel gibt es einen Kapeffekt, und in den Abendstunden putzeln die letzten Meilen zügig. Schließlich hat der Schiffer die einleuchtende Idee: Lasst den Hafen Hafen sein und kehrt lieber in der ersten Ankerbucht ein!
Also gut, schnell werden Segel geborgen und der Silberfisch und sein zugehöriger Spezialedelstahlprügel werden aus den entsprechenden Nischen gekramt. Zur Montage braucht man vermutlich einen eigenen Schein, das geht aber routiniert über die Bühne. Schließlich fällt der Anker. Dann sind alle Dämme gebrochen, und wer es nicht länger ertragen kann, stürzt sich in die kühlenden Fluten. Als Ankergetränk wird Aperol gereicht. Geschmack und Temperatur sind top, doch die Gläser haben keinen Stiel. Der Schiffer lässt sich von diesem neumodischen Quatsch erst recht nicht aus der Ruhe bringen: wie früher gibts Dosenbier. Der Abend wird unter Sternen im Cockpit unter den Tisch getrunken. Mein letzter Gedanke in der Koje gilt der großen Frage, warum ein italinischer Sportmotorrad-Hersteller jetzt Wasserhähne produziert.